Standpunkt
Von Champions, denen es zu gut geht
Zugleich befinden sich Unternehmen an der Spitze aber in einer höchst unkomfortablen Position, da sie einer ganzen Reihe ernstzunehmender Risiken ausgesetzt sind.
Insbesondere der Gefahr einer einseitigen Fokussierung auf die Stärken des Unternehmens, die es groß und stark gemacht haben und den Erfolg auch heute noch beflügeln. Eine Ausrichtung, die allzu leicht blinde Flecken entstehen lässt, die sich der Wahrnehmung der Unternehmensführung entziehen.
Sie bewirkt, dass das Management Marktfaktoren vernachlässigt, die auf den ersten Blick nachrangig sind, Wettbewerbern aber offene Einfallstore für erfolgversprechende Angriffsstrategien bieten.
Und so erleben wir in der Beratungspraxis immer wieder Unternehmen, die bereit sind, sich mit kommunikativem Mittelmaß zu begnügen. Versäumnisse in der Außendarstellung werden dann gern zu einer „traditionellen Kultur der Zurückhaltung“ verklärt, die den Marktführerstatus auf angeblich subtile Weise in den Markt transportiere. Eine Sichtweise, für die insbesondere inhabergeführte Unternehmen anfällig sind.
In manchen Fällen wird auf schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit verwiesen. Da ist der Ärger groß, weil man sich vor Jahren in einem Interview mit einer großen Tageszeitung völlig falsch zitiert gesehen hat oder Fakten aus dem Zusammenhang gerissen wurden.
Selbst wenn Restrisiken dieser Art nie ganz auszuschließen sind, so sagen solche Erfahrungen über den Reifegrad der Medienarbeit im Haus meist mehr aus, als über den Arbeitsstil der jeweiligen Redaktion oder der so bezeichneten „Journaille“.
Für Unternehmen aus der Rüstungsindustrie ist die bewusste Minimierung der öffentlichen Präsenz noch nachvollziehbar. Das gilt auch für andere Organisationen, die sich auf ethisch sensiblem Terrain bewegen. Für alle übrigen Unternehmen, die sich im freien Wettbewerb befinden, ist diese Haltung geradezu absurd.
Marktführer setzen auch Standards in der Kommunikation
Marktführerschaft verpflichtet geradezu zur Exzellenz – und zwar in sämtlichen Bereichen und Abteilungen des Unternehmens gleichermaßen. Denn es wäre grob fahrlässig, die vorhandenen Mittel und Ressourcen nicht dazu zu nutzen, seine Marktführerschaft konsequent auszubauen. Denn die Nummer 1 im Markt bestimmt die Standards von morgen. Standards, denen die Kunden folgen werden und müssen. Diesen Anspruch muss auch die Kommunikation dokumentieren, indem sie die Latte gegenüber den Wettbewerbern höher legt. Das lässt sich aus einer Position der Stärke weit besser arrangieren, als unter Druck.
Dabei haben es gerade erfolgreiche Technologieunternehmen verhältnismäßig leicht, sich mit guten Inhalten eine starke kommunikative Position zu verschaffen. Sie verfügen in der Regel über eine hohe Innovationskraft, bringen in enger Taktung neue Lösungen und Produkte auf den Markt und haben brillante Experten in ihren Reihen. Zudem schauen Sie auf hoch zufriedene und meist sehr loyale Kunden.
Dieser Rahmen bietet in den meisten Fällen einen fast unerschöpflichen Fundus werthaltiger Inhalte, die sich für Public Relations, Social Media, Inbound Marketing und Events beliebig nutzen lassen.
Eine hohe Reputation: in Krisenzeiten Gold wert
Kommunikative Exzellenz ist aber nicht nur eine Frage des Außenauftritts. Unternehmen, die auch ihrer internen Kommunikation hohes Gewicht einräumen, profitieren von einer höheren Mitarbeitermotivation, niedrigeren Krankheitsständen, einem erfolgreicheren Projektmanagement und einer insgesamt höheren Attraktivität als Arbeitgeber. Zudem reagieren sie als Organisation flexibler und agiler auf Chancen und Veränderungen im Marktumfeld. Unternehmensführungen, die Kommunikation nicht nur als Sendekanal nutzen, sondern als Mittel des Dialogs, verstehen ihre Mitarbeiter, ihren Markt und ihre Kunden besser und agieren wesentlich weitsichtiger. Kommunikation ist somit nicht nur Mittel zum Zweck, sondern ein zentrales Management-Instrument.
Die meisten Formen von Kommunikation sind langfristig angelegt und erreichen messbare Ergebnisse in der Regel erst nach substanzieller, nachhaltig betriebener Aufbauarbeit. Nicht umsonst sprechen wir von einem Marken- bzw. Kommunikationskapital. Wir können es uns als Einlage auf einem Sparkonto vorstellen, auf das wir regelmäßig überweisen müssen, wenn wir unsere Kaufkraft – sprich Markenpräsenz – auf hohem Niveau halten wollen. So ist immer ein substanzielles Guthaben vorhanden, besonders dann, wenn der Bedarf durch Disruption oder - wie aktuell - Konjunkturveränderungen akut wird. Zudem wird die Einzahlung gut verzinst, in Form eines messbaren Returns on Investment für das laufende Geschäft.
Ein gut gefülltes Reputationskonto zahlt sich auch in Form eines massiven Vertrauensvorschusses seitens der Kunden und der Medien aus. Ein Vertrauen, das besonders in Krisensituationen zum Tragen kommt, die speziell in Energie- und Technologieunternehmen jederzeit eintreten können. Die eindrucksvolle Marktentwicklung von Volkswagen und Bosch zeigt, dass Ihnen selbst einer der größten Wirtschaftsskandale der Nachkriegszeit aufgrund ihrer reputativen Stärke kaum etwas anhaben kann. Organisationen, die lieber im Verborgenen wirken, können in solchen Situationen nicht auf Milde hoffen.
Aktive, transparente Kommunikation ist ein Wettbewerbsvorteil
Marktführer-Kommunikation steht heute für eine Kultur des Teilens von Wissen. Die enge Einbindung von Kunden in den Innovationsprozess sowie der offene Dialog mit Institutionen, Forschungseinrichtungen, Start-Ups und der interessierten Öffentlichkeit sind die richtige Antwort auf die komplexen Fragestellungen der Zukunft. Unternehmen, die derart transparent im Dialog mit ihrer Umwelt stehen, unterstreichen eindrucksvoll ihre Souveränität und Stärke im Markt. Sie präsentieren sich als Institution, die Bedürfnisse von morgen kanalisiert und verschiedenste Akteure zusammenbringt, um gemeinsam die bestmöglichen Lösungen zu entwickeln.
Wer dabei nicht nur seinen eigenen Interessen folgt, sondern sich zugleich als Klassensprecher der gesamten Branche versteht, macht sich zudem zu einem wichtigen Gesprächspartner für Politik und Verwaltung sowie für mögliche Akquise-Kandidaten.
Zusammengefasst geht es hier um eine Kommunikationskultur, die zu einem prägenden Bestandteil der Unternehmenskultur wird und sich in Zeiten von Digitalisierung und Disruption als zentraler Wettbewerbsvorteil darstellt.
Das gilt zu guter Letzt auch beim Employer Branding. Der Kampf um die besten Köpfe wird vor allem im Internet und speziell auf dem Smartphone ausgetragen. Die jungen Generationen, allesamt Digital Natives, verschaffen sich mit wenigen Klicks einen Eindruck nicht nur von den Konditionen, sondern gerade auch von der Kultur und Wertewelt eines Unternehmens. Auf dieser Grundlage treffen Nachwuchstalente innerhalb weniger Augenblicke ihre Entscheidung, welcher Betrieb als Arbeitgeber in Betracht kommt und welcher nicht. Auch hier ist falsche Zurückhaltung bei der Informationspolitik völlig fehl am Platze.
Management Summary
Die Sichtweise, ein Unternehmen könne sich mit dem Erlangen der Marktführerschaft kommunikativ zurücklehnen, ist mehr als riskant. Angesichts der zentralen Rolle, die eine offene, proaktive und transparente Kommunikation vor dem Hintergrund der Digitalisierung sowie der veränderten Erwartungen junger Talente spielt, kann sich eine falsche Zurückhaltung als Anfang vom Ende der Marktdominanz erweisen. Die Sorge um mögliche Risiken, von Unternehmensführern immer wieder gern als Begründung für eine eher zugeknöpfte Kommunikationskultur angeführt, sollten Kommunikationsverantwortliche deutlich zurückweisen. Denn die Risiken stehen in keinem Verhältnis zu den immensen Chancen, die Dialog, Offenheit, Vernetzung und Durchlässigkeit für die langfristige Entwicklung einer Organisation zu bieten haben. Mehr noch: Für die Zukunftssicherung innovativer Unternehmen sind diese Eigenschaften geradezu essentiell.
Autor: Frank Plümer
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